Am 7. Juni 1973 besuchte Willy Brandt als erster amtierender deutscher Bundeskanzler Israel. Eine schwierige Aufgabe lag vor ihm. Zum einen lastete die Verfolgung und Ermordung von sechs Millionen Juden durch Deutsche auf jedem deutschen Politiker. Zum anderen lag eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts in weiter Ferne.
(Foto: Bundesarchiv Deutschland)
Doch mit dem Sozialdemokraten Brandt verband sich zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte eine neue Glaubwürdigkeit: Er selbst war vom NS-Regime ins Exil getrieben worden und hatte sich dem Widerstand angeschlossen. Als Kanzler setzte er die Anerkennung der polnischen Westgrenze durch. Seine neue Ostpolitik erkannte die Folgen des Zweiten Weltkrieges an, ohne sich mit der Spaltung Deutschlands und Europa abzufinden.
Unvergessen war, wie Willy Brandt im Dezember 1970 vor dem Mahnmal des Warschauer Ghettos kniete. Ein Jahr darauf hatte er den Friedensnobelpreis erhalten. Auch bei seinem Israelbesuch bewies Brandt einmal mehr sein Gespür für die richtigen Worte und Gesten. Auch wenn im Gespräch mit der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir deutlich wurde, dass Israel vor allem auf die USA setzte, so stieg das Ansehen der Bundesrepublik in der Region.
Die Hoffnung Brandts, die Entspannungspolitik auch im Nahen Osten zu verwirklichen, wurde mit dem am 6. Oktober 1973 beginnenden vierten Nahostkrieg vorerst enttäuscht. Doch seine Ideen des Gewaltverzichts und der gegenseitigen Anerkennung rückten immer wieder auf die Tagesordnung, wenn über eine friedliche Lösung des israelisch-arabischen Konflikts verhandelt wurde.
Willy Brandt verkörperte ein neues internationales Verantwortungsbewusstsein der Bundesrepublik als er am 26. September 1973 als erster Kanzler der Bundesrepublik vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen sprach:
"Wir sind […] gekommen, um - auf der Grundlage unserer Überzeugungen und im Rahmen unserer Möglichkeiten - weltpolitische Mitverantwortung zu übernehmen. Als Bundesrepublik Deutschland werden wir […] auf einen Zustand des Friedens in Europa hinwirken, in dem auch das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangen kann."